So gut unsere Zusammenarbeit mit unseren russischen Partnern ist und so gerne wir sie bei ihren Vorhaben unterstützen, so ist doch allen bewusst, dass die Lösungen für die Probleme und die Unterstützung für die Arbeit langfristig aus Russland selbst kommen müssen. Eines der Hauptanliegen des Zentrums für Heilpädagogik und der anderen von uns unterstützten Organisationen ist es daher, in ihrem eigenen Land auf die Probleme Behinderter und ihrer Familien aufmerksam zu machen und auf finanzielle Unterstützung durch den russischen Staat und die eigenen Landsleute zu drängen.
Die Geschichte der Behindertenbewegungen in anderen Ländern hat gezeigt, dass Eltern wichtige Akteure in diesem Kampf um Anerkennung, Teilhabe und Finanzierung darstellen. Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen sind wir daher bemüht, die Eltern und Familien behinderter Kinder auf diesem Weg zu unterstützen. In verschiedenen Projekten haben wir versucht und versuchen weiterhin, Eltern psychologische, juristische und praktische Hilfe zur Verfügung zu stellen. So versorgt z.B. der weiter unten ausführlicher vorgestellte Verlag Terevinf die Eltern mit Literatur über die Betreuung und Erziehung behinderter Kinder mit aktuellen Ratgebern, Broschüren und Erlebnisberichten in russischer Sprache. Als eines der ersten größeren Projekte speziell für die Belange betroffener Eltern richteten wir 2002 in Kooperation mit dem Zentrum für Heilpädagogik und gefördert durch Aktion Mensch eine juristische Beratungsstelle für Familien mit behinderten Kindern ein. Von geschulten Juristen werden die Familien über ihre Rechte aufgeklärt und bei Behördengängen unterstützt. In Russland stehen Familien mit behinderten Kindern nämlich weniger vor dem Problem, dass es keine Gesetze zu ihren Gunsten gibt. Vielmehr besteht die Schwierigkeit darin, dass sie über ihre Rechte nicht informiert sind, ausführende Gesetze und Regularien sowie Budgets für die Auszahlung von Sozialleistungen fehlen. Mit der Hilfe der Juristen zogen ausgesuchte Familien vor Gericht, wo sie in einem Präzedenzfall das Recht auf finanzielle Kompensation für ihre Therapiekosten zugesprochen bekamen. Die juristische Beratung konnte auch über das Ende der Förderung durch Aktion Mensch hinaus fortgesetzt werden. Ein weiteres von Aktion Mensch gefördertes Projekt zur Stärkung der Elterninitiativen lief im Herbst 2005 in der Sonderschule „Unser Haus“ mit einer Dauer von gut zwei Jahren an. Ziel dieses Projekts ist vor allem die soziale und psychologische Unterstützung der Eltern dieser Schule und anderer Eltern mit ähnlichen Problemen. Ihnen soll geholfen werden, sich aus ihrer sozialen Isolation zu befreien und mit dem großen Druck umzugehen, der als Eltern mit schwer mehrfachbehinderten Kindern in der russischen Gesellschaft auf ihnen lastet. Seit Juni 2005 führen wir zudem zusammen mit dem Zentrum für Heilpädagogik ein von der Europäischen Kommission gefördertes, so genanntes TACIS-Projekt durch, das darauf hinzielt, die verschiedenen Aspekte der Elternunterstützung zu verbinden: Aufklärung über die Rechte behinderter Menschen, Krankheitsbilder und Möglichkeiten der Unterstützung und Therapie sowie Hilfe beim Aufbau von Netzwerken, Selbsthilfegruppen und eigenen Organisationen. Ziel des Projekts ist es, Eltern darin zu stärken, Anwälte und Vorkämpfer für ihre Kinder und deren Rechte zu werden. Aus den Eltern im Umkreis des Zentrums für Heilpädagogik ist eine Elterninitiative hervorgegangen, die wir seit 2005 unterstützen. Diese Eltern, deren Kinder schwer mehrfachbehindert und nach russischen Maßstäben nicht beschulbar sind, streben an, eine Schule für ihre Kinder zu gründen. Die von uns unterstützte Sonderschule „Unser Haus“ arbeitet bereits an den Grenzen ihrer Kapazität und bestehende staatliche Schulen, die diese Kinder aufnehmen könnten, existieren nicht. Anstatt zu verzagen haben